DER ERDSTALL, Heft 10, Roding 1984

Der Erdstall“ ist die Jahresschrift des Arbeitskreis für Erdstallforschung. Sie erscheint seit dem Jahr 1975 und enthält Fachartikel zu künstlichen Höhlen und informiert über aktuelle Forschungsergebnisse.

Diese Seite bietet eine Übersicht und kurze Zusammenfassung der Inhalte.

Ausgaben von DER ERDSTALL können beim Arbeitskreis für Erdstallforschung bestellt werden (einige ältere Hefte sind bereits vergriffen).

Inhaltsverzeichnis

Josef Weichenberger: Ein Erdstall bei Bad Zell, Maierhof 18 (Oberösterreich). S. 4–14

Karl Schwarzfischer: Entdeckung eines unberührten Erdstalls in Hochbrunn bei Roding, Landkreiseis Cham. Dokumentation in Wort und Bild. S. 15–40

Werner Endres: Hafnergeschirr aus einer Erdstallverfüllung in Hochbrunn bei Roding, Landkreis Cham. S. 41–58

Volkmar Schneider: Der Erdstall unter dem “alten Pfarrhof” zu Kellberg bei Passau. S. 59–61

Werner Perlinger: Der Erdstall in Grub bei Furth im Wald, Landkreis Cham. S.62–66

Karl Schwanzfischer: Leergräber und Erdställe. S.67–81

Resi Schwarzfischer: Kurzberichte und lnformationen. S. 82–92

Dorothée Kleinmann: Symposium der französischen Gesellschaft S.F E.S. vom 9.–11. Juli 1983 in Le Puy. S. 93–95

Einladung der französischen Gesellschaft S.F.E.S. zum Symposium vom 6.–8. Juli 1984 in Chateauponsac. S. 96–98

Einladung des Arbeitskreises für Erdstallforschung zur Exkursion am 2. Juni 1984 nach Oberösterreich. S. 99–100

Manfred Moser: Souterrains in lrland – eine Bibliographie, S. 101–110

Dorothée Kleinmann: Résumés en langue française. S. 111–118

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Exzerpte von Heike Gems-Müller

Erdställe

S. 4–14: Maierhof 18 (Bad Zell) / Bezirk Freistadt, Oberösterreich (nach Beschreibung von J. Weichenberger): Der großenteils unter Gebäuden eines alten Bauernhofs befindliche Erdstall, dessen Einstiegsschacht man 1925 entdeckt und der in der Literatur 1933 erstmals Erwähnung gefunden hat, ist aus Flinz herausgearbeitet worden. Durch einen im oberen Drittel ausgemauerten, anschließend mit kreisförmigem Querschnitt aus dem Flinz gehauenen, in einer Nische mit Trittstufen mündenden Einstiegsschacht erreichte man eine 3,5 m tiefer liegende Gangsohle. Dort ließ sich die Passage in drei Richtungen fortsetzen: Durch einen Gang nach Osten, einen weiteren nach Westen oder eine südlich gelegene Schlupfröhre nach unten. Der östliche Gang führte nach 2 m über einen Vertikalschlupf in einen 1,1 m höher gelegenen Gang, der bogenförmig nach Nordwesten verlief, in seinem mittleren Teil eine horizontale Schlupfröhre aufwies und an einem runden, gemauerten, von Brettern verschlossenen einstigen Zugang und dem dort aufgehäuften Einfüllmaterial endete. In westlicher Richtung gelangte man zu einem mit Trittnischen versehenen, früher wohl verfüllten Bauhilfsschacht. In den Erdstallbereich jenseits dieses Schachts gelangte man auch, wenn man den Weg durch die abwärts führende Schlupfröhre südlich des Eingangsschachts nahm und nach der Durchquerung eines nur 55 cm hohen Stollens, von dem ein verstürzter Seitengang abging, eine aufwärts verlaufende Schlupfröhre erreichte, die in einen vergleichsweise geräumigen Gang führte. Dieser Gang verlief, nachdem auf seiner Westseite ein weiterer Gang abgezweigt war, zunächst in südliche Richtung, bog dann im rechten Winkel nach Osten ab und endete an einer 70 cm hohen Stufe, in die ein rundes, siloartiges Becken eingelassen war. Die westliche Abzweigung bestand aus einem Gang mit einer zum Sitzen geeigneten Nische, an dessen Ende ein niedriger Kriechgang zu einer aufwärts gerichteten Schlupfröhre führte, deren obere Öffnung im Scheitelpunkt einer aus zwei rechtwinkelig angeordneten Gängen bestehenden Schlusskammer lag. Den Abschluss der beiden Gänge bildeten jeweils drei Nischen, in denen drei Personen nahe beieinandersitzen konnten.
Besonders bemerkenswert war, dass alle vertikalen Schlupfröhren eine kreisrunde Form mit einem Durchmesser von 50 cm, glattgeschliffene Wände und stark abgerundete Kanten am oberen Röhrenrand besaßen. Mit Karte, Grundriss, Längsschnitten und Fotos. Siehe auch DER ERDSTALL 11, S. 24ff. (Überlebensversuch im Erdstall Maierhof 18).

S. 15–37: Hochbrunn (Roding) / Lkr. Cham, Oberpfalz (nach Beschreibung von K. Schwarzfischer): Auf dem Gelände eines Bauernhofs hat man 1976 beim Wasserleitungsbau den bis dahin unbekannten, in Löss-Lehm getriebenen Erdstall angeschnitten und zunächst wieder verschlossen. 1981 wurde dieser erneut geöffnet und mit großem Arbeitsaufwand von etwa 20 m³ Verfüllmaterial befreit. Durch den nach Entdeckung des Erdstalls neugeschaffenen Einstieg erreichte man einen niedrigen, stufenförmigen Absatz in der Mitte eines knapp 10 m langen Gangs. Rund 5 m südöstlich der Einstiegsstelle endete der Gang an einer Trockenmauer, vor welcher sich in der Decke eine verfüllte Öffnung befand. An seinem nordwestlichen Ende gabelte sich der Gang in einen nach Westen und einen nach Osten verlaufenden Zweig. Die westliche Abzweigung führte durch einen Horizontalschlupf zu einem aufwärts gerichteten Schacht, an dessen östlicher Seite sich eine ovale Kammer anschloss. Durch den nach Osten abzweigenden Gang, der nach wenigen Metern fast rechtwinkelig in nördliche Richtung abbog, gelangte man zu einer sehr kleinen Kammer, der eine dünnwandige Trockenmauer vorgesetzt war, und zu einem nach unten verlaufenden Vertikalschlupf mit einem Durchmesser von 35/40 cm, an dessen Sohle ein Gang in nordwestliche Richtung weiterführte. Dieser Gang konnte nicht bis zu seinem Ende freigelegt werden.
Temperaturmessungen im Erdstall ergaben, dass im Sommer bei einer Außentemperatur von +29 °C im Erdstall +12 °C und im Winter bei einer Außentemperatur von -1 °C im Erdstall +9 °C herrschten. Außerdem zeigte sich, dass in Feuchtperioden größere Teile der Anlage überschwemmt waren. Mit modernen und historischen Karten, Lageplan, Grundriss, Längsrissen, Querschnitten und Fotos. Siehe auch DER ERDSTALL 12.

Erdstallähnliche Anlagen / Mögliche Erdstallfragmente

S. 59–61: Kellberg „Alter Pfarrhof“ (Thyrnau) / Lkr. Passau, Niederbayern (nach Beschreibung von V. Schneider): Die seit Längerem bekannte, aus verwittertem Gneis herausgehauene, erdstallähnliche Anlage unter dem „Alten Pfarrhof“ lag vollständig innerhalb der Grundmauern des Gebäudes und war von dessen Keller aus zugänglich. Sie bestand aus einem leicht abfallenden, im Wesentlichen halbkreisförmig verlaufenden, etwa 20 m langen und 0,80 m breiten Gang, an dessen Ende eine kleine Kammer mit unregelmäßig polygonalem Grundriss lag. Die Kammer war vom Gang aus durch ein rechteckiges Schlupfloch zu erreichen, das sich in einer aus Bruchsteinen gebauten Mauer befand und, wie man aus Resten von Angeln schließen konnte, einst mit einer Tür versehen war. Der Gang wies außerdem zwei kurze Seitengänge, eine Stufe und zwei Lichtnischen auf. Infolge des Abpumpens von Wasser, das in jahreszeitlich schwankender Höhe im Gang gestanden hatte, war es zu Trockenrissen und schließlich unweit des Eingangs zu einem Verbruch gekommen. Mit Grundriss.

S. 62–66: Grub (Furth im Wald) / Lkr. Cham, Oberpfalz (nach Beschreibung von W. Perlinger): In einem Graben an einer Weggabelung tat sich 1983 eine Höhlung auf, die zu einem aus stark verwittertem Gneis-Granitgestein herausgearbeiteten, nach fast 11,5 m verschütteten, rundbogigen Gang führte. Mit Lageplan und Fotos.

S. 87: Grafenau / Lkr. Freyung-Grafenau, Niederbayern (nach Beschreibung von R. Schwarzfischer): Bei Bauarbeiten wurde eine unterirdische, mit einer Lichtnische versehene Kammer angeschnitten, „von der ein verfüllter Gang abzweigte und ein Schlupf zu einer tiefergelegenen Kammer führte“. Mit Fotos.

Funde

S. 24–28 u. 36: Hochbrunn (Roding) / Lkr. Cham, Oberpfalz (K. Schwarzfischer): Im Füllmaterial, das von oben in einen Schacht im nordwestlichen Teil des Erdstalls eingebracht worden war, befand sich mit Holzkohle durchsetzter Lehm, verrottetes Holz, Steine, Tonscherben, ein kompletter Tonkrug, ein kleiner, unvollständiger Topf und eine Schüssel. Die gesamte in diesem Bereich geborgene Keramik war glasiert (S. 27: Skizze der Verfüllschichten im Schacht).
In der östlich des Schachts gelegenen Kammer wurden ein verrostetes Eisenstück und ein Ziegelfragment gefunden.
Die lehmige Verfüllung des Gangabschnitt, der sich südlich des neugeschaffenen Einstiegs erstreckte, enthielt „verrottetes Eisen, drei gespaltene Feuersteinknollen, Ziegel- und Dachziegelfragmente, Holzkohle in geringem Maße und Steine verschiedener Art“. Des Weiteren fand man in der Füllmasse kleine verfaulte Holzstücke, Eisenabfälle und einen geschmiedeten Nagel.
Die geologische Bestimmung der Gesteinsfunde aus dem verfüllten Schacht und dem Horizontalschlupf im Nordwesten des Erdstalls hat ergeben, dass es sich zum einen um verschiedene kristalline Gesteine und zum anderen um Gesteine der Kreideformation handelte. Es konnte festgestellt werden, dass die Gesteine mit Ausnahme dünner Kalksteinplättchen aus der Umgebung von Hochbrunn stammten.

S. 41–58: Hochbrunn (Roding) / Lkr. Cham, Oberpfalz (W. Endres): Im Einfüllmaterial eines ehemaligen Zugangs sind ein fast vollständiger, braun glasierter Krug und zahlreiche Keramikfragmente, die sich zu sieben weiteren, zu etwa 70–80 % erhaltenen Gefäßen aus glasierter Irdenware zusammensetzen ließen, gefunden worden. Aus diesem Befund konnte geschlussfolgert werden, dass der Zugangsbereich in einer einzigen Phase verfüllt worden war. Die acht Gefäße ließen sich drei Gefäßtypen zuordnen, die „zu den traditionellen Geschirrformen, die täglich in der Küche und in der Stube gebraucht wurden“ zählten: Es handelte sich um drei Krüge, zwei Henkeltöpfe und drei Schüsselformen. Die Entstehungszeit der acht Gefäße lag wahrscheinlich zwischen dem späten 17. und dem frühen 19. Jahrhundert. Da vor der Freilegung der Hochbrunner Erdstallverfüllung in der Region nur wenig intakte, vergleichbare Keramikobjekt aus diesem Zeitraum existierten, vermittelte dieser Fundkomplex auch aufgrund seines guten Erhaltungszustands „erstmalig einen realistischen Eindruck vom Gebrauchsgeschirr einer allem Anschein nach vorwiegend ländlich geprägten Gegend im Vorderen Bayerischen Wald in nachmittelalterlicher Zeit“. Mit Skizzen und Fotos der Gefäße.

S. 12: Maierhof 18 (Bad Zell) / Bezirk Freistadt, Oberösterreich (J. Weichenberger): Im Einfüllmaterial eines einstigen Zugangs „fanden sich Scherben glasierter Gebrauchskeramik aus dem 18. und 19. Jahrhundert“. Die in einem Aufsatz von 1934 erwähnten, im Erdstall gefundenen Scherben von Schwarzhafner-Keramik sind verschollen. An verschiedenen Stellen lagen Holzkohlereste. Siehe auch DER ERDSTALL 17, S. 91.

Deutung der Erdstallzweckbestimmung

S. 68–81: Von K. Schwarzfischer zusammengestelltes Hintergrundmaterial zu seiner These, dass die Erdställe im „Bereich des Totenkultes die Funktion von Leergräbern erfüllt“ hätten.