Wie baut man einen Erdstall? – Ein Experiment

Dieser Artikel wurde erstmals im Jahr 1986 im Heft 12 der Fachpublikation „DER ERDSTALL“ veröffentlicht und wird hier – in aktualisierter Rechtschreibung – erneut publiziert, um ihn einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

 

Über den Bau von Erdställen
Erfahrungen, Vergleiche, Theorien

Josef Weichenberger

DER ERDSTALL, Heft 12, Roding 1986

1. Teil

Wie lange braucht man, um einen – beispielsweise 40 m langen – Erdstall zu graben? Schon mehrere Forscher haben versucht, auf diese Frage eine Antwort zu geben[1]. Sehr unterschiedliche, ja geradezu widersprüchliche Aussagen sind das Ergebnis. Dies veranlasste nun den Verfasser, durch einen praktischen Versuch die „Probe aufs Exempel” zu machen. Dazu sollten typische Bauelemente eines Erdstalles möglichst unter Berücksichtigung der mittelalterlichen Gegebenheiten nachgebaut werden. Aber das warf bereits weitere Fragen auf: Wie sah das Werkzeug aus, das dabei benützt wurde? Welche Technik wurde beim Vortrieb angewandt?

Die vom Verfasser in vielen Erdställen durchgeführte Beobachtung der Bearbeitungsspuren hatte gezeigt, dass die Breite der Schneide des Hauwerkzeuges je nach der Härte des Gesteins (bzw. Erdreichs) variiert. Im verhältnismäßig weichen Material kam eine breite Schneide zur Anwendung, hingegen bei festem und hartem Gestein eine schmale Schneide oder aber überhaupt eine Spitze. Es ist klar, dass das Aussehen des Werkzeuges geprägt ist von seiner Anwendungstechnik. In unserem Fall gab es folgende Möglichkeiten der Vortriebstechnik:

Um eine befriedigende Antwort auf die Frage nach der gültigen mittelalterlichen Vertriebstechnik und dem entsprechenden Werkzeug zu erhalten, galt es, besonders die montanistische Spezialliteratur zu befragen[2]. Einige Abhandlungen und Stellungnahmen zu diesem Thema seien wiedergegeben:

Franz Kirnbauer: Geschichte der Sprengarbeit im Bergbau, Wien 1977, Seite 8f:

Schlägel und Eisenarbeit„Die Schlägel- und Eisenarbeit ist für festes Gebirge Jahrhunderte hindurch, ja selbst Jahrtausende hindurch, die hauptsächlichste und wichtigste Art der Häuerarbeit gewesen, solange man insbesondere die Sprengarbeit noch nicht kannte. Das Hereingewinnen des Gesteins oder des Erzes wurde, wie der Name schon sagt, mit dem Schlägel und dem Eisen besorgt. Der Schlägel oder das Fäustel war ein Hammer mit zwei glatten Bahnen, das Eisen war ein vierkantiger verstählter Keil, der mit einem Auge versehen war. durch das zur Handhabung ein hölzerner Stiel gesteckt wurde. Die Arbeit geschah in der Weise, dass man mit der linken Hand – sofern ein Mann Rechtshänder war – die Spitze des Eisens fest auf das Gestein aufsetzte und mit der rechten Hand mit dem Fäustel einen kräftigen Schlag auf seine Bahn führte, sodass ein Teil des Gesteins abgesprengt wurde. Auf diese mühsame Weise wurden von den alten Bergleuten Kubikzentimeter um Kubikzentimeter Gestein oder Erz hereingewonnen und selbst große Abbauzechen (Abbauhohlräume) hergestellt. Es wurden aber auf diese mühselige Art auch hunderte und aberhunderte von Metern Stollen und Strecken getrieben, Schächte abgeteuft oder Aufbrüche und Rollen hochgebebracht.“

Franz Kimbauer: Über bergmännische Vortriebsleistungen der Alten, in: Archaeologia Austriaca 43, Wien 1968, Seite 119:

Haben die Alten mit Zentimetern pro Tag Vortriebsleistung gerechnet und gearbeitet, so blieb diese Größenordnung – von 3 bis 5 oder 6 cm, maximal 10 cm – vom Beginn urzeitlicher bergbaulicher Arbeit bis ins 17. Jahrhundert also 2000 bis 3000 Jahre hindurch in Geltung“.

Im Buch von Lothar Suhling über die Geschichte des Bergbaus lesen wir[3]: „Wenn auch „Schlägel und Eisen“ als das typische Gezähe des Bergmanns jahrhundertelang nahezu unverändert blieben. so kam es doch im Laufe der Zeit zur Ausbildung von Varianten für spezielle Aufgaben, so dass dem Hauer für seine Arbeit schließlich ein ganzes Arsenal von Schlag- und Treibwerkzeugen zu Verfügung stand. Hinzu traten materialmäßige Verbesserungen (z.B. Einsatz von bereichsweise gehärtetem Stahl) . . . . Für die Arbeit „auf Schiefer“ und „geschneidigem Gebirge“, d.h. im milden Gestein, benutzen die Bergleute die spitz zulaufende, zwei Pfund schwere Keilhaue, die gewissermaßen die Funktion von Schlägel und Eisen vereinte (Schwarzer Bergbuch, 1556, S. 138)“.

Lambert Karner schrieb 1903 zu diesem Thema in seinem Buch „Künstliche Höhlen aus alter Zeit“ Seite 13 folgendes:

Womit sind diese Höhlen ausgegraben worden? Ebenso wie die Einheit im Bau und in den Systemen überall die gleiche ist, so ist auch das Instrument, das zur Herstellung der Höhlen diente, augenscheinlich stets von derselben Art gewesen; es lässt sich dies deutlich an den Wänden der zahlreichen von mir untersuchten Gänge und Kammern erkennen. Überall rühren die Hiebspuren von einem Pickel oder Krampen mit Spitze und Schneide her; das Instrument ist also ähnlich jenen gewesen, wie man es in den Händen der Fossores in den Katakomben abgebildet sieht. Eine „eiserne Scharre, womit die Gänge stoßweise ausgearbeitet wurden“, wurde in den künstlichen Höhlen zu Nannhofen in Bayern gefunden. Die Hiebmarken sind überall gleich, nur die Breite der Schneide des Instrumentes wechselt, und zwar nach meinen Messungen von 5 bis 8 cm, äußerst selten von geringerem Ausmaße. Spuren von Schaufelstichen habe ich nirgends gefunden. Nur zu Drösing und zu Klein-Weikersdorf sah ich Hiebspuren von einem Hohlbeile“.

Vergleichsmöglichkeiten bieten auch die Katakomben . Eine Abhandlung von Werner Maser sei hier wiedergegeben[4]: Die Arbeiten an und in den Katakomben wurden von den sogenannten „fossores“ geleistet. Wie bereits ihre Bezeichnung verrät, waren sie Männer, die „gruben“, unter Tage tätig waren. Der spätrömische Begriff „fossor“ geht auf das lateinische „fodere“ (graben) zurück, so dass unter einem „fossor“ ganz allgemein ein „Gräber“ zu verstehen war. Wie Wilpert feststellte[5], haben römische Schriftsteller die Bezeichnung „fossor“ nicht selten auch auf den Bergmann unter Tage übertragen[6].

Die Arbeiten in den Katakomben, die Planung, die eine genaue Kenntnis der Gesteinsverhältnisse, der Schichten, der Druckverhältnisse, der Lagerungsbedingungen und Vermessungstechnik unter Tage voraussetzte, die Anlage von Treppen (Schächten) und Wetterschächten, die Schaffung des unwahrscheinlich weit verzweigten Gangsystems, der Nischengräber, der Krypten und Kammern und nicht zuletzt auch der Abtransport des anfallenden Erdwerks und Gesteins, waren ohne eine hervorragende bergbaukundige Leitung gar nicht zu bewältigen. So hebt eine Katakomben-Grabinschrift denn auch hervor, dass sich der unter Tage beigesetzte und namentlich genannte Bergmann Debestus bei den Arbeiten in den Katakomben „sehr verdient“ gemacht habe.

Die zusätzlich bildlich mit einer Keilhaue (Bergmannsgerät) gekennzeichnete Grabinschrift aus der Zeit um 500 in der Sankt-Agnes-Katakombe lautet:

DEBESTUS MONTANARIUS
QUI LABORAVIT PER OMNIUM
CLIMITERIUM MERITUS FECIT

„Hier ruht der Bergarbeiter Debestus,
der in allen Katakoben gearbeitet hat
und sich sehr verdient machte“.

Der bildlich überlieferte, mit drei großen Hakenkreuzen auf seiner Kleidung dargestellte „fossor“ Diogenes in der aus der Zeit um 350 stammenden Diogenes-Krypta der Domitilla-Katakombe mit der lnschrift „Diogenes, ein fosssor, in Frieden beigesetzt am 8. vor den Kalenden des Oktober“ (24.9.) ist nicht der einzige Vertreter seines Berufes, der in Rom „unter Tage“ seine letzte Ruhestätte fand – und dort auch durch ein Bild rühmend geehrt worden ist.“

Interessante Parallelen finden sich bei den Höhlenwohnungen. Bei der Errichtung dieser „Negativ-Architektur“ plagten sich die Bauleute mit ähnlichen bautechnischen Problemen ab, wie sie beim Erdstallbau auftraten. Fragen der rationellsten Vortriebstechnik, Statik, Belüftung, Beleuchtung, Vermessung (Orientierung unter Tag) verlangten nach einer Lösung. In der französischen Literatur trifft man auf bemerkenswerte Abhandlungen zu diesem Thema [7]. Auch hier wird der Vortrieb mittels Schlägel und Eisen bzw. mit der Keilhaue durchgeführt. Lichtnischen kommen genauso vor wie Luftröhren. Die Verwendung von Hilfsschächten während der Errichtung der Anlagen ist vielfach nachgewiesen.

In Tollet bei Grieskirchen (Oberösterreich), in unmittelbarer Umgebung einer Erdstallfundstelle [8], begannen nun am 15. Juni 1985 die Grabungsarbeiten[9]. Das anstehende Erdreich ist Schlier, ein sehr festes und hartes Material. Nach dem ersten Arbeitstag machte sich Enttäuschung breit, denn wir hatten nicht erwartet, dass das Erdstallgraben so beschwerlich und mühsam ist. Nach dem anstrengenden 8-stündigen Einsatz war der Gang nur wenige Zentimeter tief. Es bedurfte gegenseitiger Aufmunterung und Motivation, um einen weiteren Arbeitstag aufzuwenden. Doch beim zweiten Versuch begannen wir mit mehr System und gezielter zu arbeiten. D.h., dass wir schon eine gewisse Übung in der Handhabung und Anwendung der ungewöhnlichen Werkzeuge hatten. Weitere Arbeitseinsätze „vor Ort“ gab es dann noch am 29. Juni, 20. Juli, 22. und 24. August 1985. Anregend wirkte auch der „Konkurrenzkampf“ zwischen den Schlägel und Eisen-Arbeitern und den Keilhauen-Vertretern. Jeder wollte nämlich beweisen, dass seine Vortriebstechnik die ökonomischere sei.

Jene Arbeiter, die den Vortrieb mit Schlägel und Eisen bevorzugten, begannen terassenförmig das Erdreich abzuschlagen. Die Keilhauen-Arbeiter hieben eine senkrechte Rinne (Rille) ein, die dann breiter und breiter ausgeschlagen wurde, bis die ganze Fläche auf die Tiefe der Rille ausgearbeitet war.

Nach einigen Arbeitstagen konnten die ersten Erfahrungen und Ergebnisse ausgewertet werden:

Der Versuch hat gezeigt, dass im relativ harten Schlier (Härtegrad 2,5) [10] der Vortrieb mit Schlägel und Eisen der Keilhaue überlegen ist. An einem Tag mit 10 (schweißtreibenden) Arbeitsstunden konnte ein Vertrieb von 15 bis 20 cm erzielt werden; das entspricht einer Wochenleistung von ca. 1 m Ganglänge. Der Mineur vor Ort verrichtete dabei schwerste körperliche Arbeit, war an gewisse Zwangshaltungen (ermüdende Körperhaltungen) gebunden, litt unter der eingeschränkten Bewegungsfreiheit und hatte zudem schlechtes Licht und sauerstoffarme Luft am Arbeitsplatz. Seine Berufskrankheiten waren sicherlich Rheuma (im Volksmund als „Gicht“ bezeichnet) und die Schwerhörigkeit. Rheuma deshalb, weil er ständig der niedrigen Erdtemperatur von plus 8 Grad und der Feuchtigkeit, die einem bis „unter die Haut“ kriecht, ausgesetzt war. Und die Schwerhörigkeit deshalb, weil man mit dem Schlägel wirklich kräftige Schläge auf das Eisen ausführen muss, um eine Wirkung zu erzielen; der dabei entstehende helle Ton (Eisen auf Eisen) bricht sich im engen Gang immer wieder. Schon nach einem Arbeitstag glaubt man halb taub zu sein.

Nach 2 m Ganglänge schlugen wir eine Lichtnische in die Wand. Als Beleuchtungskörper verwendeten wir eine Original-Tonlampe aus dem 13. Jahrhundert[11]. Der Teil der Lampe mit dem Docht stand aus der Wandnische hervor (siehe Abb. 11) und leuchtete den Gang schön aus. Für den Arbeiter vor Ort brachte das entscheidende Vorteile, nämlich die Ausleuchtung des Arbeitsplatzes und einen vor dem Umstoßen weitgehenden sicheren Standplatz für die Lampe.

Da die gut faustgroßen Wandnischen mit ebenem Boden, die in den Erdställen immer wieder angetroffen und üblicherweise als Tast- oder Lichtnischen gedeutet werden, noch einer befriedigenden Erklärung bedürfen, sei hier ausführlich darauf eingegangen. Dass diese Nischen nicht zur Orientierung dienten – also keine Tastnischen sind – wurde bereits durch praktische Versuch aufgezeigt[12]. Der Bergmann vor Ort in einem schmalen, niedrigen Gang braucht natürlich Licht bei seiner Arbeit. Aber wo sollte er seine Lampe hinstellen, ohne dass sie ihm im Weg war. Mit ein paar Schlägen fertigte er eine kleine Wandnische an und stellte sein Licht hinein. Hier störte die Lampe den Arbeiter nicht mehr beim Vertrieb und war auch weitgehend vor dem Umstoßen gesichert. Die Bearbeitungsspuren, die sich in einer Lichtnische finden, sind die gleichen wie im übrigen Erdstall, was beweist, dass die Nische während der Errichtung des Erdstalls geschlagen wurde.

Als Beleuchtung diente wahrscheinlich eine Öllampe. Vergleichbar sind die in Burgen und Bergwerken des Mittelalters gefundenen „Lichtteller“. Jedenfalls bewährte sich beim Versuch diese Tonlampe ausgezeichnet. In einem breiten Gang bzw. in einer Kammer findet sich leichter ein ruhiges Plätzchen für die Lampe, weshalb hier seltener Lichtnischen vorkommen. Verwendet wurden sicherlich auch Kienspäne. Dass es in einigen Erdställen zahlreiche Lichtnischen gibt, in anderen jedoch wieder gar keine, könnte auf die persönliche Vorliebe des Arbeiters für die Öllampe oder den Kienspan als Beleuchtung zurückzuführen sein.

Auch diesmal bestätigte sich die bereits früher gewonnene Erkenntnis über die Entstehung der Rußspuren in den Nischen[13]. Die Flamme der Tonlampe brannte stundenlang ganz ruhig und ohne wesentlicher Rauchentwicklung, wenn man den Docht und den Ölstand kontrollierte und entsprechend regelte. Nur wenn man sehr schlechtes Öl verwendete, wenn Öl oder Docht zur Neige gingen, dann begann die Flamme zu flackern und unruhig zu brennen, so dass dadurch im oberen Drittel der Nische starke Rußspuren entstanden. Somit dürfte auch geklärt sein, warum einige Nischen Rußspuren aufweisen, andere jedoch nicht.

Da der händische Stollenvortrieb mittels Schlägel und Eisen – wie erwähnt – über Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende, hinweg nahezu unverändert geblieben ist, gibt es viele vergleichbare Anlagen mit Lichtnischen. Die folgenden Beispiele sollen zeigen, dass Lichtnischen beim Bau von schmalen Stollen sehr zweckmäßige Einrichtungen waren.

Curt Merkel schreibt in seinem Buch „Die Ingenieurtechnik im Altertum“, Berlin 1899, zum Kapitel Bergbau auf Seite 51:

„In den Schächten und Gängen sind Nischen für die Grubenlichter vorhanden, in welchen Tonlampen von gewöhnlicher Form gefunden wurden“.

Klaus Werner Jörg beschreibt für einen Stollen aus dem Jahre 1767 folgendes Detail[14]:

„In die Seitenwände sind in regelmäßigem Abstand kleine Nischen eingearbeitet, die während der Bauzeit zur Aufnahme von Öllampen dienten“.

Vom Römerstollen in Retterath, Kreis Mayen, Rheinland Pfalz, BRD, berichtet Waldemar Haberey[15]:

„Aus der Schachtwand des Stollens waren in Brusthöhe kleine Nischen ausgehauen, die oben noch von den dort bei der Arbeit aufgestellten Lämpchen angerußt waren“.

Weiteres lesen wir bei Lothar Suhling[16]:

„Als Geleucht dienten im römischen Bergbau u. a. die bekannten ovalen Tonlämpchen von etwa I0 cm Länge und 7cm maximaler Weite. Für sie waren in den Stößen der Gruben zumeist kleine Nischen ausgehauen, um sie dort während der Arbeit abstellen zu können“.

Für römische Bergwerke sind auch von Oliver Davies mehrfach Lichtnischen belegt[17]:

Bergwerk in Plagne bei Macot, Südostfrankreich

Bergwerk in Sotiel Corronada, Spanien (in Abständen von 60 – 90 cm in Firstnähe)

Bergwerk in Dacia, Transilvanisches Erzgebirge

Bergwerk in Vojetin, Jugoslawien (Nischen 15 cm hoch und tief, 20 cm breit)

Für den antiken griechischen Bergbau sind von Hansjörg Kalcyk die Lichtnischen nachgewiesen[18]:

„Die Ausleuchtung der Gruben erfolgte mit Öllampen, die eine bestimmte Brenndauer gehabt haben sollen, um auf diese Weise das Ende einer Schicht anzeigen zu können. Die Lampen standen in extra aus dem Gestein gehauene Nischen, in der Regel, beim Stollen vortrieb, in unmittelbarer Nähe des Bergmanns“.

Selbst im Treppentunnel von Gibeon (El Dschib, Israel), der aus dem 12. Jahrhundert vor Christus stammt, gibt es vergleichbare Lampennischen (siehe folgende Abbildung).

Für einen Erdstallgang mit zahlreichen Lichtnischen sei als Beispiel die Anlage von Böhmersried[19] angeführt: 57 Nischen mit und ohne Rußspuren sind auf eine Stollenlänge von 45 m verteilt.

Hiermit hoffe ich, einen Beitrag zur Klärung der rätselhaften Wandnischen gegeben zu haben. Meiner Meinung nach sind diese Nischen unzweifelhaft Lichtnischen aus der Erbauungszeit und nicht etwa Kultnischen oder Tastnischen, wie anderswo behauptet wird[20].

Während der Errichtung eines Erdstalls war die Herstellung eines Bauhilfsschachts sicher sehr zweckmäßig. Er schaffte folgende Vorteile:

  • Mehrere Arbeiter können gleichzeitig eingesetzt werden, wodurch sich die Bauzeit erheblich verkürzt.
  • Kürzerer und bequemerer Materialabtransport; das Abraummaterial braucht nicht durch die Engstellen bis zum Eingang befördert werden, sondern wird durch den Schacht ausgebracht.
  • Bessere Belüftung während des Baues.
  • Auch eine bessere Orientierung unter der Oberfläche ist möglich.
  • Er bietet die Möglichkeit, größere Verschlusssteine in den Erdstall einzubringen.

In vielen Erdställen finden sich Trockenmauern – dahinter verbirgt sich meist ein verfüllter Bauhilfsschacht. An einigen Beispielen sei dies erläutert, und zwar an den Erdställen

  • Auberg – Rudersböck (Plan A),
  • Münzkirchen – Wösner (Plan B),
  • Aurach am Hongar – Oberhauser (Plan C)
  • und Tolleterau – Wiesinger (Plan D).

Auch Hans Falkenberg hat bereits auf den mutmaßlichen Bauhilfsschacht im Erdstall von Tollet hingewiesen (siehe „Der Erdstall“ Heft 9, 1983, Seite 47f) Sein kurzes Resümee zu diesem Thema sei zitiert:

„Der hier vermutete senkrechte Hilfsschacht zum Abtransport des Erdreiches in der Bauphase, der nach Baufertigstellung wieder zugeschüttet wurde, bietet eine logische Lösung des Aushubproblems“.

Das Herausschaffen des Abraums dürfte daher ein geringes Problem gewesen sein. Die stündlich anfallende Menge des Abraums beträgt bei einem beispielsweise 1,40 m hohen Gang 15 Kubikdezimeter, das sind 1 ½ Füllungen eines 10 l Kübels (bzw. Korbes oder Sackes). Diese Menge kann man ohne allzu große Anstrengung an die Oberfläche schaffen.

Feststellen mussten wir auch, dass es gar nicht so einfach ist, exakt die Richtung des Ganges beizubehalten. Immer wieder bedurfte es kleiner Korrekturen. Bei vielen neuzeitlichen, mittelalterlichen und antiken Stollen treffen wir auf Richtungsänderungen, ja sogar schlangenlinienförmige Trassenführung. Einige Beispiele seien als Beleg angeführt:

Der griechische Stollen aus dem 6. vorchristlichen Jahrhundert auf Samos[21], der römische Emissar am Nemisee (Albaner Berge nahe Rom)[22], der mittelalterliche Mönchsbergstollen aus dem 12. Jahrhundert in Salzburg[23] und der neuzeitliche aus den Jahren 1842 – 1844 von Maria Laach (Rheinland Pfalz, BRD)[24].

Dieser Beitrag berichtet von den ersten gewonnenen Erfahrungen beim Erdstallbau und den daraus folgenden Erkenntnissen. Auch im Jahr 1986 wird am Versuchserdstall weitergearbeitet. Vorgesehen ist die Errichtung einer Schlupfröhre und einer Sitznische. Darüber soll dann im Jahresheft 13 (1987) ein 2. Teil dieses Berichtes erscheinen.

Anmerkungen:

1 Dorotheé Kleinmann, Die mittelalterlichen Souterrains in Frankreich, in: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters. Jg. 7 1979, Seite 153, (4 bis 8 Personen – 30 bis 40 Tage)

Herbert Wimmer, Erdställe oder Schrazellöcher, künstlich geschaffene Höhlen aus alten Zeiten, in: Der Schlatz, Nr. 45, München 1985 (ein Arbeiter 10 m in einem Jahr)

Kießling Franz, Über das Rätsel der Erdställe. Wien 1923 (jahrelang)

2 Wichtige Hinweise verdanke ich dem Bergbauingenieur Herrn Dipl. Ing. Dr. Wernfried Werneck, Linz

3 Lothar Suhling, Aufschließen, Gewinnen und Fördern, Hamburg 1983. S. 136 ff.

4 Werner Maser, Am Anfang war der Stein. München 1984, Seite 211f`

5 J. Wilpert, Die Malereien der Katakomben Roms, Freiburg 1903

6 Zum Beispiel bei Vitruvius, Calpurnius und Hieronymus. Auch Zusammensetzungen wie „metallorum fossor“ = „Erzgräber“ oder „aurifossor“ = „Goldgräber“ sind durchaus nicht selten. Vgl. K. E. Georges, Lateinisch-Deutsches Wörterbuch, 1. Bd.. 8. Aufl., Hannover u. Leipzig 1913. Sp. 2830; „Fossor“

7 J. et C. Fraysse. Les Troglodytes en Anjou, 1. Bd. 3. Auflage Cholet 1984, 2.Bd. Cholet 1963, 3. Bd. 1977

Nicole Charneu et Jean-Charles Trebbi. Maisons Creusées Maisons Enterées. Paris 1981.

Jean-Paul Loubs, Architroglo, Roquevaire 1984.

8 Siehe Hans Falkenberg: Der Wiesinger Erdstall in Tolett – Dokumentation einer zerstörten Anlage, in: Der Erdstall, Nr. 9 (1983), S. 38 ff

9 Bedanken möchte ich mich bei meinen eifrigen Helfern Sepp Haller, Willi Dunzendorfer und Franz Wimmer. Besonderer Dank gebührt dem „erstallbegeisterten“ Grundbesitzer Franz Wiesinger, der in zahlreichen Stunden unermüdlich am Versuchserdstall gearbeitet hat.

10 Für die Härtebestımmung danke ich dem Geologen des Linzer Landesmuseums, Herrn Dr. Gruber.

11 Dem Burgenforscher Prof. Alfred Höllhuher, Reichenstein, ist für die Bereitstellung der Tonlampe zu danken.

12 Weichenberger Josef, Wurden die Erdställe als Zufluchtsanlage gebaut? in: „Der Erdstall“, Nr. 11 (1985) Seite 28 f.

13 Wie Anm. 12, jedoch Seite 59.

14 Klaus Werner Jörg, Die Trippstadter Brunnenstollen , in: Heimatbuch 1984 des Landkreises Kaiserslautern, Otterbach bei Kaiserslautern, Seite 66 ff.

15 Waldemar Haberey: Die römischen Wasserleitungen nach Köln, Düsseldorf 1977, Seite 148.

16 Wie Anm. 3, jedoch Seite 59.

17 Oliver Davis: Roman mines in Europa, Oxford 1933. Seite 22, 78, 121, 200 und 269.

18 Kalcylt Hansjörg, Untersuchungen zum attischen Silberbergbau: Gebietsstruktur, Geschichte und Technik. Frankfurt am Main 1982. Seite 179

19 Glatthaar Regina, Götz Jochem, Möller Heike, Ein bemerkenswerter Erdstall in Böhmersried, in: Der Erdstall 9 (1983). S. 91 ff.

20 Etwa I… Dressel, Neue Funde alter Höhlen, in: Stimmen aus Marıa Laach, 24. Bd. Freiburg im Breisgau 1883, Seite 260; oder Lambert Karner, Künstliche Höhlen aus alter Zeit, Wien 1903. Seite 8.

21 Dem Verfasser durch Autopsie bekannt. Ein Übersichtsplan findet sich bei: Hermann J. Kienast. Der Tunnel des Eupalinos auf Samos, in: Architectura,. 2. 1977, Bd.7, Seite 109.

22 Dem Verfasser durch Autopsie bekannt. Ein grober Übersichtsplan ist veröffentlicht in: Guido Ucelli, Le Navi di Nemi, Rom 1951, Seite 47.

23 Dem Verfasser durch Autopsie bekannt. Von dieser Anlage ist leider kein Plan veröffentlicht. Eine kurze Beschreibung findet sich bei Heinz Dopsch, Das unterirdische Salzburg, in: Bastei, Blätter des Stadtvereins Salzburg. 2. Folge 1980, sowie in: Städtische Versorgung und Entsorgung im Wandel der Geschichte, Hrsg. Jürgen Sydow, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1981 , Seite 46 ff: Heinz Dopsch, Der Almkanal in Salzburg, mit weıterführender Literatur.

24 Dem Verfasser durch eigene Forschungen bekannt, eine Veröffentlichung ist in Vorbereitung. Ein Übersichtsplan findet sich bei: Klaus Grewe, Der Fulbertstollen am Laacher See, in: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters, Jg. 7/1979

Abb. 2: Ausschnitte aus Georg Agricola. Vom Bergkwerck Xll Bücher- Basel 1557.

Links Bergmannswerkzeug, rechts Mineur vor Ort mit Schlägel und Eisen.

Abb. 3: „Fossor“ – Diogenes in der Katakombe

Abb. 4: Terrassenförmiger Abbau mit Schlägel und Eisen

Abbau mit Keilhaue, ausgehend von einer Rille

Lichtnischen im Treppentunnel von Gibeon

Planausschnitt aus: Pritchard James B., The Water System of Gibeon, University of Pennsylvania 1961.

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