Historischer Wasser-Stollen in Linz entdeckt

Linz: Historischer Wasserleitungsstollen entdeckt

Ein Bagger legte am Linzer Freinberg in drei Metern Tiefe das Gewölbe eines unterirdischen Ganges frei. Die vom Bundesdenkmalamt verständigten Spezialisten vom „Landesverein für Höhlenkunde in OÖ.“ untersuchten die Anlage. Vom Grund der vom Bagger ausgehobenen Baugrube gelangten sie durch eine enge Öffnung in einen Gang mit einer Gesamtlänge von 90,7 Metern. Auf einer Länge von 75 Metern verläuft der Gang geradlinig von Ostnordost nach Westsüdwest. Ein 14 Meter langer Gang zweigt südlich vom Hauptgang ab. Der aus dem anstehenden Gestein gehauenen Wasserstollen ist zwischen 1,1 und 5 Meter hoch und 0,7 bis 1,1 Meter breit. An der höchsten Stelle befindet sich ein Bauhilfsschacht, der nach Fertigstellung des Stollens vermauert wurde.

Wasser sprudelt noch heute
Aus den an beiden Enden angelegten Quellbecken sprudelt das Wasser auch heute noch hervor, insbesondere aus dem größeren, das 4,5 x 4 Meter misst und etwa einen Meter tief ist. An der Deckenwölbung des Stollens bilden sich bereits an einigen Stellen kleine Tropfröhrchen und weiße Sinterüberzüge. Ein 34 Meter langer Gangabschnitt ist ausgemauert, der Großteil liegt in festem Fels (Gneis).

Gangfortsetzung verstürzt
In östlicher Richtung endet der Gang – 18 Meter von der Baugrube entfernt – bei einem Versturz mit Ziegelresten und Unrat. An dieser Stelle ist die Stollensohle mit zähem gelbem Lehmbrei bedeckt, weil der Abfluss des Wassers durch den Versturz am Gangende stark behindert wird. Durch den aufgestauten Schlamm verringert sich die Höhe des Stollens bis auf 1,1 Meter. Vier Meter vor dem Ende quert eine schräg zum Stollenverlauf verlegte eiserne Rohrleitung (ca. 15 cm Durchmesser) den Gang. Wozu sie dient oder gedient hat, ist unbekannt.

Weitere Forschungen
Im Laufe der Jahrhunderte wurden mehrere Wasserleitungen vom Freinberg in Richtung der Stadt Linz angelegt. Um zu klären, aus welcher Zeit der nun entdeckte Wasserstollen stammt, sind weitere Forschungen im Stadtarchiv Linz und im OÖ Landesarchiv notwendig. Der Gang kann mit der sogenannten Schulertal-Wasserleitung aus dem Jahr 1832 in Verbindung gebracht werden oder eventuell auch mit der Schloss-Wasserleitung, die im Auftrag von Kaiser Rudolph II. errichtet wurde.

Inschrift-Tafel aus Marmor
Im Linzer Stadtmuseum Nordico wird eine große, mit einem Löwenkopf verzierte Marmortafel aufbewahrt, die von einer Brunnenstube aus der unmittelbaren Umgebung des nun aufgefundenen Ganges stammt. Die marmorne Inschrifttafel war lange Zeit im Stadtmuseum Nordico ausgestellt. Gegenwärtig wird sie im dortigen Depot aufbewahrt. Auf der Tafel ist zu lesen, dass Kaiser Rudolph II. von 1602 bis 1606 einen Wasserstollen errichten ließ.

Wörtlich lautet die Inschrift (siehe auch Österreichische Kunsttopographie, Band XLII, S. 502):

Der Anfang dises Stollns war
im 1602.Jar;
als man 1606 erkendt,
war dises Stollns Arbeit vollendt.
Rudolph der Ander mit seim Nam,
Römischer Kaiser Lobesam,
ließ disen Stollen treiben fortt,
die Wasser bringen an diß Orth.
So yetzt ein schöner Prunnen Quell,
der in das Schloß fleust clar und hell.
Gott wolle disem Kaiser gebn
Glück, Sieg, Gesundt und langes Lebn.

Brunnenstube Linz_Tafel

Die darin gesammelten Sickerwässer ergossen sich in eine Brunnenstube, von der eine etwa 1 km lange Leitung aus Holzrohren bis zum Brunnen im Linzer Schloss führte.

Der Vorteil gegenüber einem senkrechten Brunnenschacht war, dass das Wasser nicht hochgezogen werden musste, sondern kontinuierlich frei dahinfloss. Ähnliche Versorgungsanlagen gibt es vor allem in den Wüstengebieten Nordafrikas und Asiens. Sie werden – abgesehen von den zahlreichen landesspezifischen Bezeichnungen – meist als Ghanat (Qanat, Kanat) bezeichnet.

Der Historiker Benedikt Pillwein beschrieb 1824 in seinem Werk „Geschichte der Stadt Linz“ diesen Wasserleitungs-Stollen. Wo sich jedoch das einstige Stollenmundloch befand, ist aufgrund unterschiedlicher Angaben unklar. Interessant ist ansonsten noch, dass im Jahr 1916 die Brunnenstube der rudolphinischen Wasserleitung und der Stollen mit Hilfe von russischen Kriegsgefangenen „umgebaut“ wurden.

Stollen soll erhalten werden
Die Forscher Erna Eichbauer, Erhard Fritsch und Josef Weichenberger vom „Landesverein für Höhlenkunde“ in Linz haben den neu aufgedeckten Wasserleitungsstollen vermessen und auch fotografisch dokumentiert. Es sind Bestrebungen im Gange, diese sowohl historisch bemerkenswerte als auch optisch überaus beeindruckende Stollenanlage für die Nachwelt zu erhalten und einen entsprechenden Einstieg zu schaffen.

 

Kontakt und Auskunft

Mag. René Ployer, Bundesdenkmalamt, Abteilung für Archäologie
Archäologiezentrum Mauerbach, 3001 Mauerbach, Kartäuserplatz 2
Tel.: 01 577 4661 204
Mobil: 0676 88325 707
E-Mail: rene.ployer@bda.gv.at

Josef Weichenberger, Landesverein für Höhlenkunde in Oberösterreich
Tel.: 0732 7720 14603 (Büro, OÖ. Landesarchiv)
Mobil: 0699 11494163
E-Mail: josef.weichenberger@ooe.gv.at und josef.weichenberger@liwest.at

Erhard Fritsch, Landesverein für Höhlenkunde in Oberösterreich, Linz
Tel.: 0676 5174370
E-Mail: erhard.fritsch@gmx.net

Wasserstollen_Freinberg1
Der enge Einstieg in den Wasserstollen am Grund der Baugrube. Foto: Erhard Fritsch

 

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Typisches Stollenprofil, Raumhöhe vorne 3,5 bis 4 Meter. Foto: Erhard Fritsch

 

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Beim querenden Eisenrohr im verschlammten Nordost-Abschnitt, 14 m vom Baggerloch entfernt. Foto: Erhard Fritsch